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HUNDEHERZ von Nikolay Skryl,

Samstag, 22.03.2014, 17:00 Uhr, Berlin, Denkerei

 

Wenn man eine Amphore durch eine Scheidewand in zwei Abteilungen teilt und mit verschiedenen
Gasen (Dionysische und Apollinische Gase) ausfüllt, und dann die Scheidewand entfernt, so vermischen
sich beiden Gase.
Aber nach einer bestimmten Zeit wird sich jedes Gas wieder in der Hälfte der Amphore sammeln, in der
es vorher war.
Dieses Resultat erhält man nach dem poincarésche Wiederkehrsatzes.
Diese «bestimmte Zeit» kann auch einige Millionen Jahre sein.
Dies widerspricht dem zweiten Gesetz der Thermodynamik.

Es bedeutet, dass ein Perpetuum mobile möglich ist, da alle Gesetze den Charakter statistischer
Wahrheiten haben.
Dieses Gesetz wurde 1890 von Poincaré präsentiert.






Bild 39: Kulturelle Werte und Übermensch. Öl auf Leinwand, 90x70 cm, 2012. Nikolay Skryl

 

Der poincarésche Wiederkehrsatz ist ein mathematischer Satz über dynamische Systeme.
Er besagt, dass es bei autonomen hamiltonschen Systemen, deren Phasenraum ein endliches Volumen
hat, in jeder offenen Menge U im Phasenraum Zustände gibt, deren Trajektorien beliebig oft wieder nach
U zurückkehren.
Insbesondere ist der poincarésche Wiederkehrsatz ein Satz der Ergodentheorie, und kann auch als das
erste Resultat der Chaostheorie angesehen werden.

Die Ergodizität bezieht sich auf das mittlere Verhalten eines Systems.
Ein solches System wird durch eine Musterfunktion beschrieben, die die zeitliche Entwicklung des Systems
abhängig von seinem aktuellen Zustand bestimmt.

Man kann nun auf zweierlei Arten mitteln:
man kann die Entwicklung über einen langen Zeitraum verfolgen und über diese Zeit mitteln, also den
Zeitmittelwert bilden, oderman kann alle möglichen Zustände betrachten und über diese mitteln,
also das sogenannte Scharmittel (= Ensemble-Mittel) bilden.

Streng ergodisch wird ein System dann genannt, wenn die Zeitmittel und Scharmittel mit der Wahrscheinlichkeit
eins zum gleichen Ergebnis führen.
Anschaulich bedeutet das, dass während der Entwicklung des Systems alle möglichen Zustände
erreicht werden, der Zustandsraum also mit der Zeit vollständig ausgefüllt wird.
Das bedeutet insbesondere, dass bei solchen Systemen der Erwartungswert nicht vom Anfangszustand
abhängig ist.

Ein System wird als schwach ergodisch bezeichnet, wenn in beiden Fällen nur der Erwartungswert und
die Varianz übereinstimmen und Momente höherer Ordnung vernachlässigt werden.

Der exakte mathematische Nachweis der Ergodizität, insbesondere der Nachweis der strengen
Ergodizität, lässt sich nur in Sonderfällen erbringen.
In der Praxis wird der Nachweis der schwachen Ergodizität an einer oder einigen wenigen Musterfunktionen
vorgenommen (Bild 40).






Bild 40: Markov-Ketten. Nicht ergodische Kette A, die schwache-ergodische Kette B und
die ergodische Kette C.

 

Aber schon 1889 hatte Nietzsche in Turin das Pferd umarmt und geküsst, in Turin, wo sich das
Grabtuch als Todesbeweis Gottes befindet.

Das antizipatorische Denken Nietzsches ist ein Resultat seines mentalen Modells des Weltraums
auch Dionysisches (1), Apollinisches (2) und Panisches (3) und die Kulturwerte (H) (Bild41).






Bild 41: Dionysisches, Apollinisches, Panisches und die Kulturwerte (H)

 

Gott ist tot - der Übermensch und die neuen Kulturwerte 5-4-3 - der neue Übermensch usw.
und alte kulturelle Werte - dies ist das erste kongruente Dreieck 1-2-3.
Gott ist tot und ein Übermensch erscheint, der alte kulturelle Werte zerstört.
Erscheinen: der neue Dionysius, der neue Apollo, der neue Pan und neue kulturelle Werte.
Der neue Gott stirbt und der Übermensch erscheint - das ist das zweite kongruente Dreieck 5-4-3...
das dritte kongruente Dreieck 7-8-9... usw. bis erste kongruente Dreieck 1-2-3 - eine ewige Rückkehr.

Die ewige Wiederkehr von Nietzsche und das Poincare-Rückkehrtheorem sind Beispiele für sensorische
(rechte Hemisphäre - 1) und rationale (linke Hemisphäre - 2) Erfahrungen.
Ein kongruentes Dreieck ist ein Beispiel für einen schöpferischen Bewusstseinszustand (intaktes Gehirn - 3).

Die Sinneserfahrung entspricht dem ästhetischen Wahnsinn, der rationalen Erfahrung der ethischen
Wahrnehmung, und der schöpferische Bewusstseinszustand entspricht der statistischen Wahrheit.
Stimmt es, dass dieses Phänomen durch den Kunstbegriff definiert werden kann?

Nietzsche war in Lou Salome verliebt und wollte sie küssen, aber sie wollte den Arzt Paul Ree küssen.
Als Ergebnis - Ressentiment und Nietzsche küsst das Pferd, weil die aktive Mitfreude (im Gegensatz zum
passiven Mitleid) ein höherer und wichtigerer Wert ist. Amor fati (Bild 42).

Die Frage ist: Ist das Pferd krank? Vielleicht Maul- und Klauenseuche?
Jedenfalls ist Nietzsche krank geworden und hat Kaiser Wilhelm I. und Bismarck den Krieg erklärt.

Ein Hauptthema des Krieges ist der Heroismus, der eine ästhetische Kategorie ist.
Also ist der Krieg ein ästhetischer Wahnwitz, der ein kulturhistorisches Hauptereignis ist.
Ein beliebiges kulturhistorisches Ereignis hat nur ästhetische Parameter.
Der ästhetische Wahnwitz.

Das Schöne - das Hässliche. Das Hohe - das Niedrige.
Das Tragische (Heldenhafte) - Das Komische (Humor, Ironie, Satire).
Das Ereignis ist die Lage im Raum (drei Raumkoordinaten YXZ) und das Zeitmoment.
Das Zeitmoment ist der Augenblick zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Die Ereigniskette kann man nicht nur in ihrer zeitlichen Reihenfolge, sondern auch in ihrer räumlichen
Reihenfolge YZX beobachten. In dieser verändern sich nur die Zeichen Plus und Minus.






Bild 42: Aktive Mitfreude und passive Mitleid. Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm, 2012. Nikolay Skryl

 

Die Veränderung der Zeichen ist der Moment, in dem Gott tot ist.
Die Veränderung der Zeichen entspricht auch der Veränderung der Orientierungen.
Die übliche Richtung in der Mathematik oder Physik ist von Minus zu Plus.
Die Veränderung der üblichen Entwicklungsrichtung der Ereignisse in den Zeichen «Plus oder Minus»
entspricht der ethischen Wahrnehmung «gut oder böse».

Die Wahrnehmung der Veränderung des Zeichens entspricht der ethischen Wahrnehmung des
Ereignisses: von Minus zu Plus ist sie gut, weil sie richtig ist; von Plus zu Minus ist sie böse, weil
sie nicht richtig ist.

Der Tod des Feindes ist gut, der Tod des Helden ist schlecht.
Aber der feindliche Held ist auch in Held.
Diese Lage erfordert eine dritte Position.

Zwischen dem ästhetischen Wahnwitz (1) und der ethischen Wahrnehmung (2) befindet sich die
statistische Wahrheit, die der Beobachtung entspricht, oder genauer der zynischen Beobachtung (3).
Die Kulturwerte entsprechen - H, dem Punkt der ewigen Wiederkunft.

Diese Punkte bilden das kongruente Dreieck beliebiger Ereignisse, in dem Nietzsche und Poincaré
umher gesprungen sind.

In jedem konkreten historischen Ereignis ändern sich nur die Namen, aber das mentale
Modell bleibt: Dionysos, Apollo und Pan.
Martin Heidegger meint, dass der Tod Gottes der Tod Pans ist.
Kaiser Tiberius hörte, dass Pan gestorben sei.
Das war das Ende der Epoche des Hellenismus (Plutarch).
Pan ist eine Trickster-Figur.

Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. (Mephisto. Faust)
Es gibt viele Versionen zur Abstammung Pans:
nach Herodot ist er der Sohn von Hermes und Penelope,
nach Euphorion ist er der Sohn von Apollo und Penelope,
nach Duris ist er der Sohn von Penelope und den 40 Freiern.

Das ganze kulturelle Ereignis braucht aber auch die ihm entsprechenden Attribute: den
Philosophen, die Frau, das Tier, die Krankheit, die Ärzte u.a.m.
Zum Beispiel, Aristoteles, der von Gerpillis geritten wird, und das Schwein – das soziale Tier.
Platon, die freie Pythia, die die Stadt kompensiert, und das gerupfte Huhn mit den
dreieckigen Eiern.

Der vor Publikum onanierende Diogenes und der Pawlowsche Hund.
Nietzsche, Lou Salome und das Pferd.
Bei Joyce (Ulysses) meint der Direktor des Gymnasiums und der große Kenner der Geschichte,
dass die Frauen und die Maul- und Klauenseuche schuld sind. Als dritten Parameter habe
ich die Ärzte ergänzt.

Ästhetischer Wahnwitz, der 1. Weltkrieg
1915 übernimmt Deutschland das Gelfand-Memorandum. Gelfand, bekannt auch als Parvus,
hatte angeboten, Lenin zu benutzen, um Russland niederzuwerfen. (Ludendorff: Wir müssen
Russland niederwerfen.)






Bild 42a: Parvus erhielt 1 Million Rubel für die Organisation der Revolution

 

Text: «Ich erhielt am 29. Dezember 1915 eine Million Rubel in Banknoten für die Bedürfnisse der
revolutionären Bewegung in Russland vom deutschen Gesandten in Kopenhagen. Dr. A. Gelfand »
Lenin und Parvus (Gelfand) waren gut miteinander bekannt.
In Zürich trafen sie sich oft im Klub Voltaire in der Spiegelgasse.
Im März 1916 war Lenin bei einer Cancan-Veranstaltung.
Dabei schlug er sich auf die Schenkel und schrie laut: DA! DA! DA! Und zwar 8 Mal.
Das war die Geburt des Dadaismus.

Im April 1917 schickte Deutschland im plombierten Wagen Lenin, Inessa Armand und
189 Kommissare nach Russland, wo sie die Revolution organisierten.
Am 17. April 1917 gab es eine geheime Information von Stockholm nach Berlin:
«Lenins Eintritt in Russland geglückt. Er arbeitet völlig nach Wunsch».






Bild 42b: Geheime Information von Stockholm nach Berlin

 

Lenin wurde nach Russland «wie der Pestbazillus» (Winston Churchill) eingeführt.
Aber es war nicht die richtige Diagnose. Lenin hatte Syphilis.
Er hatte sich 1902 bei einer Prostituierten in Parisinfiziert (dieses Plus von 15 Jahren ist eine
klassische Periode in der Entwicklung der Syphilis: das sogenannte Quartärstadium (Neurolues).

Aber Lenin mochte die Ärzte nicht. Von 100 Ärzten schreiben 99 Esel, sagte er Maxim Gorki.
«Die Schriftsteller und die Wissenschaftler sind nicht das Gehirn der Nation, sondern ihre Scheiße und
sollen eben im Gefängnis sitzen.»
1922 schickt Lenin 225 Wissenschaftler aus Russland weg, 45 davon sind Ärzte.
Das Philosophenschiff wird eine Aktion der bolschewistischen Regierung des Sowjet-Russland
genannt, bei der missliebige Intellektuelle im September und November 1922 außer Landes
gebracht wurden.
Der Urheber der Ausweisung, Lenin, hat dies als «Langzeitige Säuberung Russlands» bezeichnet.

Die Krankheit schreitet fort. In Russland gibt es keine Ärzte.
Die Kommissare laden aus Deutschland die Professoren A. Strümpel, O. Bumke und M. Nonne -
die grossen Fachkrfte der Neurosyphilis - ein. Die Diagnose ist - Neurosyphilis, auch die rote
Pest genannt.

Lenin, I. Armand, Tier - das Schwein, der Esel oder das Pferd, Arzt Strümpel oder Churchill.
1924 ist Lenin gestorben.
Der Held ist Tod. In Russland begann die Epoche des Atheismus und anstelle der Ikonen wurden
die Porträts des Führers gezeigt.
Seit 1924 gab es 110 Millionen Besucher des Lenin Mausoleums, das sind auch 110 Millionen
Kontakte mit der Syphilis.






Bild 42c: Der Held ist Tod. Collage (Photoshop).

 

Ethische Wahrnehmung und Fünf freiwillige Mädchen

Die Kommissare versuchen, den Übermenschen zu schaffen.
1925 bekommt Professor Ilja Iwanow, der größte Experte für die künstliche Befruchtung von Pferden,
10.000 Dollar für Experimente.

Er versucht, mittels der Kreuzung von Mensch und Affen, den Übermenschen zu erzeugen.
Fünf freiwillige Mädchen warten auf die Befruchtung, aber im Versuchslabor in Suchumi ist das einzige
Exemplar des Orang-Utan-Männchens gestorben. 1930 wird das Experiment erfolglos abgeschlossen.
1932 stirbt auch der Professor.

1925 schreibt Bulgakow die Erzühlung «Das Hundeherz».
Das Sujet: Moskau im Winter1924/25. Der Facharzt für Impotenz, Professor Phillip Philippowitsch
(der Liebhaber der Pferde) Preobrashenskij (Verklärung des Herrn, Transfigurator) setzt am Heiligabend
dem Straßenhund Bello die Hypophyse und die Hoden eines toten Lumpenproletariers ein.
Der Hund wird zum Menschen und lebt in der Wohnung des Professors.
Er nennt sich Polygraf Polygrafowitsch Bellow.
Mit Hilfe Kommissar Schwonders bekommt er einen Pass und den Job, die Stadt von Straßentieren
zu säubern.
Bello isst viel, trinkt Wodka, spielt auf der Balalaika, springt die Frauen an und will einen Teil der
Wohnung des Professors haben.
Dazu schreibt er mit Hilfe Kommissar Schwonders einen Brief an die Tscheka und denunziert den
Professor.
Der Brief wird vom Professor gefunden und dieser operiert den Bello zurück.
Der Mensch wird wieder zum Hund.
Der Hund liegt nun zu Füßen des Professors und überlegt: «Warum hat dieser Herr mich unter den
anderen Straßenhunden ausgewählt?
Vielleicht hatte meine Großmutter etwas mit einem Labrador und ich habe aristokratisches Blut.»

Statistische Wahrheit und Iljitsch-Lämpchen

Der Nobelpreisträger I. P. Pawlow hat am 21. Dezember 1934 an den Rat der Volkskommissare
einen Brief gerichtet: «Sie glauben vergeblich an die Weltrevolution.
Sie säen in der kulturellen Welt keine Revolution, sondern mit riesigem Erfolg den Faschismus.
Vor Ihrer Revolution gab es keinen Faschismus.»

In Russland sind die Begriffe Pawlowscher Hund und Iljitsch-Lämpchen bekannt.
Das Klischee der klassischen Konditionierung und der kommunistischen Propaganda.
Wenn in Russland ein Lämpchen angezündet wird, dann sind alle glücklich.





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